„Ich vermute, dass weder Natur noch die Quantität unserer Arbeit verantwortlich ist für die Häufigkeit und die Schwere der Zusammenbrüche. Vielmehr liegen die Ursachen in den absurden Gefühlen von Hast und keine Zeit zu haben, in der Atemlosigkeit und Spannung, im Bestreben nach Selbstdarstellung und der Sorge um die Ergebnisse und in dem Mangel an innerer Harmonie und Gelöstheit.”
(William James 1958, S. 140ff übernommen aus Zimmermann 2012, S. 32)
STRESSMINDERNDE WIRKUNG VON NATUR
Erklärungsansätze zur Wirkung von Natur gibt es zahlreiche (vgl. Health Council of the Netherlands 2004; Hartig et al. 2014).
Zwei der wohl bekanntesten psychologischen Theorien sind die „Attention Restoration Theory“ (ART) von Rachel Kaplan 1984 und Rachel Kaplan & Stephen Kaplan 1989 und die „Stress Reduction Theory“ (SRT) von Roger Ulrich 1983 und Ulrich et al. 1991.
Die Attention Restoration Theory zielt primär auf Wiederherstellung der Aufmerksamkeitsfähigkeit ab und erklärt die Erholsamkeit von Natur mithilfe von vier Kriterien:
(1) Faszination (fascination): Die Natur provoziert Aufmerksamkeit, die nicht anstrengt, sondern regeneriert.
(2) Weg sein (being away): Die Natur ermöglicht einen Abstand zum Alltag.
(3) Ausdehnung (extent): Die Natur ermöglicht das Gefühl, sich mit dieser verbunden zu fühlen.
(4) Kompatibilität (compatibility): Die Natur bietet einer Person die Möglichkeit, zu tun, was ihren Bedürfnissen entspricht.
Ausgangspunkt der ART ist die Aufmerksamkeit. Kaplan & Kaplan unterscheiden zwischen gerichteter (effortful) und ungerichteter, müheloser (effortless) Aufmerksamkeit. Natur eignet sich besonders gut zum Regenerieren der Aufmerksamkeitsfähigkeit, weil sie das Interesse des Menschen weckt ohne gerichtete Aufmerksamkeit zu erfordern:
„What characterizes effortless attention is interest or fascination.“ (Kaplan 1984, S. 192)
Roger Ulrich 1984 verglich in seiner Studie „View Through a Window May Influence Recovery from Surgery“ 23 chirurgische Patientinnen und Patienten, denen ein Zimmer mit Fenster auf eine natürlichen Szenerie, mit chirurgischen Patientinnen und Patienten, denen ein Blick auf eine Backsteinmauer zugewiesen worden war. Erstere hatten einen kürzeren postoperativen Krankenhausaufenthalt, weniger negativ-bewertende Kommentare in den Notizen der Pflege und nahmen darüber hinaus weniger potente Schmerzmittel ein.
In einer weiteren Studie bewiesen Ulrich et al. 1991, dass Naturumwelten am ehesten geeignet sind, um sich von Stress (anger, fear, sadness) zu erholen und positive Gefühle zu erleben.
Auch andere Studien (z.B. Hartig et al 2003, van den Berg et al. 2003, Cervinka et al. 2014, Arnberger et al. 2015) haben gezeigt, dass das Aufsuchen natürlicher Umwelten (natural environments) wie z.B. Waldlandschaften im Vergleich zu bebauten Umwelten (built environments) Herzschlag, Pulsfrequenz und Stresshormone reduzieren sowie die Stimmung verbessern und die Aufmerksamkeitsfähigkeit wiederherstellen.
Wells & Evans 2003 beobachteten einen solchen stressmindernden Effekt auch bei Kindern, die in ländlicher Umgebung leben. Die Auswirkungen stressreicher Lebensereignisse waren bei Kindern mit hohem Grad an nahegelegener Natur (nearby nature) geringer als bei jenen mit wenig Nähe zu Natur.
Studien & Literatur zum Thema gibt es hier (Studien & Literatur)